Update: Am 23. Januar haben wir den Artikel mit einer ausführlichen Stellungnahme vom Bundeszentralamt für Steuern mit dem Absatz „Das sagt das Bundeszentralamt für Steuern” erweitert. Update Ende
Update: Am 16. Januar hat sich Airbnb mit einem Statement auf unsere Anfrage gemeldet. Wir haben den Absatz „Was sagen die Plattformen zu den Neuerungen beim Online-Handel?“ erweitert. Update Ende
Für viele Privatleute ist der Verkauf von Waren und das Anbieten von Leistungen aller Art im Internet ein einträgliches Geschäft, um die Haushaltskasse aufzubessern. Und das sogar steuerfrei. Dem will die Bundesregierung mit der „Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“ (dem Plattformen-Steuertransparenzgesetz, PStTG) einen Riegel vorschieben. Damit setzt Deutschland die EU-Richtlinie 2021/514 um, die die Besteuerung privater Verkäufe regelt.
Die Kurzform nach § 4 Abs.5 Nr.4 PStTG.: „Jeder Plattformbetreiber muss private Veräußerungsgeschäfte bis zu 31. Januar des Folgejahres immer dann an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) melden, wenn mindestens 2.000 Euro Verkaufserlös erzielt werden oder mehr als 30 Veräußerungsgeschäfte im Jahr stattfinden.“
Welche Verkaufsstellen sind betroffen?
Das Plattformen-Steuertransparenzgesetz nennt zwar nicht explizit die betroffenen Verkaufsportale und Online-Marktplätze. Legt man den Filter auf „digitale Plattformen zur Erzielung von Einkünften“, betrifft das PStTG alle Marktplätze und Plattformen, die für gewerbliche und private Verkäufe zur Verfügung gestellt werden.
Im sperrigen Beamten-Deutsch wird das so erklärt: „Eine Plattform ist jedes auf digitalen Technologien beruhende System, das es Nutzern ermöglicht, über das Internet mittels einer Software miteinander in Kontakt zu treten und Rechtsgeschäfte abzuschließen […]“. Auf den ersten Blick fallen darunter etwa Amazon Marketplace, eBay, eBay Kleinanzeigen, Etsy, Facebook Marketplace, Fairmondo, Hood, Momox, Yatego, Shpock und Vinted. Vom Plattformen-Steuertransparenzgesetz betroffen sind aber auch Portale, die die Kurzzeitvermietung privaten Wohnraums ermöglichen (Airbnb, Booking.com, Fewo-Direkt usw.) oder Fahrdienste vermitteln (Uber, BlaBlaCar, GetTransfer usw).
Nicht betroffen sind Verkaufsplattformen für Fahrzeuge (Mobile.de und Autoscout) sowie Immobilien (Immoscout24 und Immowelt). Hierüber findet nur die Kommunikation (Geschäftsanbahnung) statt, nicht aber die eigentliche Transaktion.
Aber wie verhält es sich auf Facebook-Marktplätzen und in (nicht öffentlichen) Facebook-Gruppen, die von Privatpersonen betrieben werden? Hierzu schreibt uns das Bundeszentralamt für Steuern: „[…] Darüber hinaus weisen wir auf § 3 Absatz 2 PStTG hin, der den Begriff des Plattformbetreibers definiert. Nach der Definition muss es sich unter anderem um einen Rechtsträger handeln (zum Begriff des Rechtsträgers siehe § 6 Absatz 1 PStTG).” Der § 6 Absatz 1 PStTG definiert: „Ein Rechtsträger ist eine juristische Person, eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse.“
Ergo sind auch die Admins von Facebook-Gruppen und -Marktplätzen nicht für die Angebote und Verkäufe innerhalb ihrer Gruppen meldepflichtig. Wenn überhaupt ist das Facebook selbst, was in Ermangelung der Transaktionsdaten nicht möglich ist. Zur Sicherheit reicht ein Hinweis in der Gruppenregeln wie: „Der endgültige Vertragsabschluss zwischen Käufer und Verkäufer findet schlussendlich per Privater Nachricht statt.“
Christian Solmecke
Das sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke: „Die Meldepflicht nach § 13 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes (PStTG) trifft nur Plattformbetreiber im Sinne des § 3 PStTG. Gemeint sind etwa Amazon, eBay, AirBnB oder eben auch Facebook – nicht aber Admins in privaten Facebook-Gruppen. Die Meldepflicht der Plattformen erfasst außerdem nur Transaktionen, die über die offizielle Bezahlfunktion einer Plattform abgewickelt wurden. Verkäufe in Facebook-Gruppen ohne eine solche Bezahlfunktion fallen hingegen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Schließlich ist es dem Plattformbetreiber hier nicht möglich, nachzuvollziehen, welcher Preis gezahlt wurde.“
[Update]
Das sagt das Bundeszentralamt für Steuern
Von der Pressestelle des Bundeszentralamts für Steuern kam diese ausführliche Stellungnahme auf unsere Anfrage:
„Um nach dem Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) meldepflichtig zu sein, müsste eBay Kleinanzeigen unter anderem eine Plattform im Sinne des § 3 Absatz 1 PStTG sein. Dazu müssten mittels einer von eBay Kleinanzeigen zur Verfügung gestellten Software, beispielsweise einer Website, zwischen Anbietern und anderen Nutzern Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden können, die auf die Erbringung relevanter Tätigkeiten im Sinne des § 5 Absatz 1 PStTG oder die Erhebung und Zahlung einer mit einer relevanten Tätigkeit zusammenhängenden Vergütung gerichtet sind. Die Höhe der Vergütung müsste eBay Kleinanzeigen bekannt sein. Bei der Nutzung einer internen Bezahlfunktion ist anzunehmen, dass derjenige, der die Zahlung abwickelt, auch Kenntnis von der Höhe der Vergütung hat. Insofern weist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) darauf hin, dass sich ein Plattformbetreiber nicht auf eine fehlende Kenntnis der Höhe der Vergütung zurückziehen kann, wenn er selbst oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen von ihr Kenntnis haben müsste (vgl. § 5 Absatz 2 Satz 2 Halbsatz 1 2. Alternative PStTG). Inwieweit die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Über das Vorliegen einer Plattform oder einer relevanten Tätigkeit erteilt das BZSt auf Antrag eine Auskunft (§ 10 PStTG).
Entsprechendes gilt für Facebook-Gruppen und Facebook-Marktplätze bzw. die über diese stattfindenden Aktivitäten. Die Voraussetzung eines Rechtsgeschäftsabschlusses über das digitale System soll im Übrigen sicherstellen, dass nicht rein potentielle Geschäftsvorfälle an das BZSt gemeldet werden, wie sie etwa bei einem digitalen ‘schwarzen Brett’ gegeben sind, das bloß Möglichkeiten zu einem Geschäftsabschluss vermittelt, während ein etwaiges Rechtsgeschäft außerhalb des Systems als Bargeschäft oder anderweitig elektronisch zustande kommt. Ob Facebook-Gruppen u. ä. hierunter fallen, kann das BZSt im Rahmen dieser Antwort jedoch nicht verbindlich feststellen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass als Betreiber einer Plattform nur Rechtsträger in Betracht kommen (vgl. § 3 Absatz 2 PStTG).“
Und genau das haben wir ja bereits geschrieben: „Ein Rechtsträger ist eine juristische Person, eine Personenvereinigung oder eine Vermögensmasse.“
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Was sagen die Plattformen zu den Neuerungen beim Online-Handel?
Natürlich wollten wir wissen, wie die Plattformen die gesetzlichen Vorgaben handhaben. Von eBay gab es auf vier konkrete Fragen nur ein allgemeines Statement der Pressestelle: „[…] selbstverständlich wird auch eBay die im deutschen Umsetzungsgesetz vorgesehenen Regelungen fristgerecht umsetzen und an die Verkäufer*innen kommunizieren.“
Wesentlich auskunftsfreudiger zeigt sich eBay Kleinanzeigen. Unternehmenssprecher Pierre Du Bois hat sehr detailliert auf unsere Fragen geantwortet: „eBay Kleinanzeigen ist ein Online-Kleinanzeigenmarkt. Anders als auf Online-Marktplätzen wird bei uns überwiegend Secondhand gehandelt – der Handel findet zudem vor allem zwischen Privatpersonen statt. In der Regel erlangen wir keine Kenntnis darüber, ob sich Anbieter und Interessent einig werden, es also tatsächlich zu einem Verkauf kommt. Schließlich findet der Abschluss einer Transaktion oft abseits unserer Plattform statt. Das ist anders, wenn Zahlungen über unsere Plattform abgewickelt werden und wir somit Kenntnis von einer Transaktion erlangen. In diesen Fällen fallen wir in den Anwendungsbereich des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes. Die Zahl der vom Gesetz betroffenen Nutzer ist dementsprechend deutlich geringer als die Gesamtzahl der Nutzer von Kleinanzeigen. Die Zahl der Anzeigen, die ein Nutzer aufgegeben hat, ist für die Beurteilung jedenfalls unerheblich.“
[Update]
„Airbnb hat eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Gastgebern zu helfen, die Regeln einzuhalten und ihren Steuerverpflichtungen nachzukommen. Wir begrüßen die Einigung der EU-Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Rahmen für die Steuerberichterstattung für digitale Plattformen, bekannt als DAC-7, sowie auch die Umsetzung dieser Richtlinie in Form des Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG), die einen einheitlichen und standardisierten Ansatz für den Informationsaustausch in der EU bieten wird. Gastgebern auf Airbnb in Deutschland haben wir bereits über die neuen Vorgaben informiert und darüber, wie sich die Änderungen auf ihre Aktivitäten auf Airbnb auswirken können, und werden auch im Jahr 2023 weiterhin Informationen im Zuge von DAC-7 von ihnen abfragen, bevor die Daten im Januar 2024 an die Behörden weitergegeben werden.“
Facebook/Meta haben wir ebenfalls angefragt. Bis zum Redaktionsschluss kam jedoch keine Antwort. Wir aktualisieren den Artikel entsprechend mit dem Statement.
[Ende Update]
Welche Daten erhalten die Steuerbehörden?
Sind die Kriterien – 2.000 Euro Verkaufserlös oder mehr als 30 Veräußerungsgeschäfte im Jahr – erfüllt, müssen die Plattformen dem Bundeszentralamt für Steuern folgende Daten übermitteln:
Name des Verkäufers (nicht der Account-Name)GeburtsdatumSteuer-IdentifikationsnummerPostanschriftBankverbindungbetreffende TransaktionenUmsatz inklusive der Verkaufserlöse und angefallenen Gebühren
Damit können die Finanzbehörden Personen finden, die zusätzliche Einnahmen erzielen und diese ohne Angabe in ihrer jährlichen Steuererklärung steuerfrei vereinnahmen. Der Trick mit verschiedenen Nutzernamen funktioniert dann nicht mehr.
Doch nicht nur für das Finanzamt „freut“ sich über die meldepflichtigen Transaktionen. Auch die Sozialbehörden und der Zoll könnten gewonnenen Informationen im Rahmen eines Datenaustauschs mit den Steuerbehörden nutzen. Bezieher von Bürgergeld (ehemals Hartz IV) könnten entsprechend sanktioniert werden, wenn sie regelmäßige Einnahmen oberhalb der Zuverdienstgrenzen über eBay Kleinanzeigen & Co. erzielen und diese gegenüber dem Jobcenter verschweigen.
Bei eBay Kleinanzeigen wird die Datenerfassung beziehungsweise -übermittlung laut Pierre Du Bois wie folgt gehandhabt: “In den Fällen, in denen Anbieter nicht (mehr) als ‘freigestellte Anbieter’ im Sinne des Gesetzes gelten, erfragen wir zusätzlich zu vorhandenen Daten weitere Informationen – unter anderem den steuerlichen Sitz, die Steuer-Identifikationsnummer sowie die Anschrift der Betroffenen. Das passiert, sobald die Nutzer die entsprechenden Grenzwerte erreichen beziehungsweise überschreiten. Mit der Abfrage dieser Daten informieren wir über den Anlass der Abfrage. Die auf diese Weise erhobenen Daten nutzen wir ausschließlich zum Zwecke der Auskunft an das Bundeszentralamt für Steuern. Die Übermittlung erfolgt im Januar für das jeweils zurückliegende Kalenderjahr. Betroffene erhalten jeweils eine Kopie der übermittelten Daten und werden bei Übermittlung an die Finanzbehörden (nochmals) benachrichtigt.“
Und was passiert, wenn eBay Kleinanzeigen-Mitglieder die Auskunft verweigern? Dann werden Nutzer gegebenenfalls mehrfach an die erforderliche Auskunft erinnert. Sollten Nutzer innerhalb der gesetzten Fristen keine Angaben machen, droht eine Sperre des Kontos.
Tipp: So verkaufen Sie weiterhin ohne Angst vor dem Amt
Wer ab und zu gebrauchte Kleidung oder ausrangierte Haushaltsartikel verkauft, wird auch in Zukunft nicht vom Finanzamt belangt werden. Anders sieht es für Privatleute aus, die Waren schon mit einer Gewinnerzielungsabsicht und im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit kaufen und sie dann zum Verkauf anbieten. Das liegt etwa dann vor, wenn man regelmäßig auf einem Flohmarkt Messer, Uhren oder Schmuckstücke kauft oder Keller für andere entrümpelt und die Fundstücke danach bei eBay und Co. zum Verkauf anbietet.
Auch für Privatleute lohnt sich eine Buchhaltung: Führen Sie Buch über Einkäufe und Verkäufe. Bewahren Sie die Rechnungen und Kassenzettel auf. Wer etwa ein Smartphone für 800 Euro gekauft hat und es nach zwei Jahren für 300 Euro verkauft, der hat ja keinen Gewinn erzielt und kann das auf Rückfrage vom Finanzamt entsprechend belegen.
So geht es weiter – wir bleiben dran
Wir haben weitere Anbieter/Plattformen mit einigen Fragen kontaktiert. Wir halten Sie auf dem Laufenden und werden diesen Artikel in den nächsten Tagen entsprechend aktualisieren.
Ein wichtiger Aspekt sollte nicht untergehen. Pierre Du Bois von eBay Kleinanzeigen befürchtet, dass das Gesetz zusätzliche Hürden für den Handel von gebrauchten Gegenständen schafft. Das verhindert womöglich, dass gebrauchte Produkte länger genutzt werden, was dem Ziel einer Transformation zur Kreislaufgesellschaft zuwiderläuft.
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