Unter Linux gibt es eine Anzahl von Videobearbeitungen. Diese unterscheiden sich deutlich hinsichtlich Fokus und Schwierigkeitsgrad. Dieser Artikel stellt Lösungen vor und zeigt, welches Programm für Ihr Vorhaben am besten geeignet ist.
Zum Loch in der Wand führen die Schlagbohrmaschine, ein Bohrhammer, Kernbohrer und auch Hammer und Nagel. Die Wahl des richtigen Werkzeugs hängt von der Aufgabe ab. Genauso ist es bei der Videobearbeitung. Die einen wollen nur überflüssige Werbung aus einem Film herausschneiden, während andere aus verschiedenen Audio- und Videoquellen ein neues Werk zusammenstellen. Für diesen Beitrag haben wir uns für eine kleine Auswahl an Videoprogrammen entschieden, die seit Jahren bewährt und im Internet gut dokumentiert sind.
Mit dabei sind Losslesscut, Openshot, Kdenlive und Cinelerra GG.
1. Losslesscut: Der Name sagt alles
sich mit einer eingängigen Oberfläche.
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Die Software sieht sich in erster Linie als Schnittprogramm und exportiert die Ergebnisse verlustfrei in andere Containerformate. Entsprechend einfach und übersichtlich ist die Oberfläche gestaltet. Das Programm ist bei vielen Distributionen inzwischen in den Paketquellen, andernfalls besuchen Sie die Projektseite, um sich die aktuelle Version herunterzuladen (auch für den Raspberry Pi). Nach dem Start blicken Sie auf ein leeres Programmfenster. Um eine Datei zu bearbeiten, ziehen Sie diese vom Dateimanager in das Programmfenster.
Die Bedienung ist erfrischend einfach. An der gewünschten Stelle innerhalb eines Clips klicken Sie einmal auf das linke Handsymbol. Am Ende der Sequenz dann auf die rechte Hand. Dies wiederholen Sie anschließend an weiteren Positionen innerhalb des Rohmaterials, um damit einzelne Segmente zu definieren. Diese tauchen dann auch in Listenform an der rechten Seite des Bildschirms auf.
Im rechten oberen Teil des Fensters zeigt das Programm an, was beim Exportieren der Datei passieren würde. Voreingestellt ist „Merge Cuts“, also das Zusammenfügen der Segmente zu einer neuen Datei. Wollen Sie dagegen zwei einzelne Filme als Ergebnis, dann nutzen Sie „Separate Files“ aus dem Listenfeld.
zu beeinflussen.
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Mit einem Klick auf „Export“ starten Sie dann den Vorgang. Ist das kleine Icon neben dem Export-Schalter aktiviert, blendet Losslesscut zuvor noch Optionen ein, mit denen Sie das Dateiformat verändern und weitere Einstellungen anpassen können. Wenn Sie überflüssigen Ton wegschneiden und den Clip nachvertonen wollen, dann klicken Sie einfach auf den Schalter „Keep audio“ am oberen Rand des Programmfensters. Ähnlich einfach gestaltet sich auch der Austausch einer Videospur.
Beachten Sie auch den kleinen Schalter „Tracks“ am oberen Bildschirmrand. Dieser listet die gefundenen Spuren innerhalb des Clips auf, kann aber auch auf Spuren anderer Tracks zugreifen: So tauschen Sie also einfach den Ton aus. Über das Menü ist es auch möglich, Untertitel zu einem Video hinzuzufügen. Vieles, was Losslesscut bietet, könnte auch der Klassiker ffmpeg auf der Kommandozeile – allerdings längst nicht so komfortabel.
2. Openshot: Funktional, trotzdem einfach
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Openshot ist trotz niedriger Versionsnummer (2.6) ein Klassiker. Die Wurzeln des Programms reichen bis zum Jahr 2008 zurück. Es gibt, wie bei Losslesscut, auch Versionen für Windows und den Mac. Auf der Projektseite finden Sie stets eine aktuelle Version. Für Linux haben sich die Entwickler für das Appimage-Format entschieden, das keine Installation erfordert. Die heruntergeladene Datei muss lediglich als ausführbar gekennzeichnet werden. Das Programm ist aber auch in den Paketquellen der meisten Distributionen zu finden.
Nach dem Programmstart wird gleich offensichtlich, dass Openshot eine umfassende Funktionsfülle anbietet. Denn der Bildschirm zeigt bereits die aus anderen Anwendungen bekannte Ansicht aus Spuren, die auf einer Zeitleiste angeordnet sind. Das optimal für die Gnome-Umgebung geeignete Werkzeug erleichtert die ersten Schritte mit einem Tutorial und verfügt online über eine umfassende Dokumentation in deutscher Sprache.
Die Arbeit erfolgt projektbasiert. Nach dem Start ziehen Sie eine oder mehrere Videodateien in das Programmfenster unter „Projektdateien“. Ein ganz einfacher Arbeitsablauf besteht etwa in der Kombination mehrerer Clips zu einer neuen Datei. Die werden dann auf der Zeitleiste abgelegt. Genauso intuitiv ist auch der Schnitt. In der kleinen Symbolleiste oberhalb der Spuren finden Sie den Schalter, um eine Marke zu setzen. Damit erhalten Sie zugleich Zugriff auf das Schnittsymbol. Somit werden auch Einsteiger schnell einen Film von unerwünschten Szenen befreien können.
Trotz vieler Optionen und Funktionen wirkt die Openshot-Oberfläche nie überladen. Viele Einstellungen werden in separaten Bereichen vorgenommen.
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Ebenso leicht fällt die Zusammenstellung mehrerer Szenen dank der automatischen Übergänge. Es genügt, zwei Clips in einer Spur zu überlappen, um einen automatischen Übergang anzulegen. Dessen Eigenschaften ändern Sie nach Wunsch über die Einträge in dem entsprechenden Register. Vielseitig sind die weiteren Möglichkeiten von Openshot.
Sie können eine neue Tonspur importieren, über das gleichnamige Menü einen Titel hinzufügen und insbesondere mit zahlreichen Effekten arbeiten. Auch die werden aus dem Katalog direkt auf den gewünschten Bereich gezogen. In der Zeitleiste erscheint zusätzlich ein kleines Icon, über das Sie die Eigenschaften des Effekts erreichen. Fortgeschrittene Funktionen wie die Arbeit mit Animationen erfordern etwas mehr Nachdenken und Experimentieren. Aber auch diese Aspekte sind in der Dokumentation kurz und knapp erklärt.
Der Export des finalen Clips wird mit einem Druck auf den Aufnahmeschalter eingeleitet. Der nachfolgende Dialog bietet dann reichlich Einstellungen, um das Zielformat zu beeinflussen. Angenehm dabei ist, dass hier auch Profile angelegt werden können. Wer also für das gleiche Medium produziert, muss also nicht immer wieder von vorn beginnen.
3. Kdenlive: Videowerkzeug für KDE
Kdenlive: In Hinblick auf Bedienung, Oberfläche und Funktionalität ist das KDE-Tool dem Gnome-Programm Openshot sehr ähnlich.
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Was Openshot für die Gnome-Community, ist Kdenlive für die KDE-Umgebung, wobei allerdings die Zeiten ja lang vorbei sind, in denen die Anwendungen des jeweils anderen Desktops wie Fremdkörper wirkten. Auch Kdenlive gibt es für Linux, Windows und Mac-OS. Unter Linux installieren Sie die Software entweder über die Pakete der Distribution oder die Appimage- oder Flatpak-Container von der Projektseite.
Bei der Bedienung unterscheidet sich Kdenlive nicht von Openshot. Auch hier beginnen Sie mit einem leeren Projekt und laden zunächst das Rohmaterial ein. Die einzelnen Bestandteile werden dann auf die Zeitleisten mit verschiedenen Spuren gezogen. Wer sämtliche Ansichten und Paletten des Programms aktiviert, benötigt einen großen Monitor. Es deutet sich schon in den Menüs an, dass der Editor weit mehr kann, als lediglich Werbung herauszuschneiden.
Beim Rendern greifen Sie bei Kdenlive auf „Presets“ zurück. Die unscheinbare Iconleiste im Dialog erlaubt auch das Anlegen eigener Optionen.
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Viele Funktionen sind am besten direkt über das Kontextmenü nach einem Sekundärklick zu erreichen, wie das Einfügen eines Übergangseffekts. Ohnehin ist es ratsam, das kurze Tutorial, das auf der Projektseite angeboten wird, einmal durchzugehen. Hier werden die wichtigsten Funktionen und einige Arbeitsabläufe kurz vorgestellt. Andere wiederum verstecken sich in den Menüs. So kann Kdenlive auch Clips automatisiert mit Untertiteln versehen. Wer diese optionale Funktion erstmals aufruft, wird durch die nötigen Schritte geführt, denn in der Regel muss zunächst noch eine Python-Bibliothek heruntergeladen werden. Zudem gilt es, ein Sprachmodell zu installieren.
Das grundlegende Konzept unterscheidet sich nicht von Openshot, allerdings ist der Funktionsauswahl anzusehen, dass die Entwickler offenbar unterschiedliche Zielgruppen vor Augen hatten. Openshot vereinfacht Schnitt, Effekte und Übergänge sowie den Export. Kdenlive kann das alles auch, aber in jedem einzelnen Bereich verbergen sich weitere Optionen und Einflussmöglichkeiten. Hier stehen die kreativen Prozesse eher im Vordergrund. Das Audiopanel erinnert an die eine oder andere DAW (Digital Audio Workstation). Kdenlive arbeitet ebenfalls mit Profilen für das Rendern, die sich individuell weiter anpassen lassen.
4. Cinelerra GG: Steile Lernkurve
Cinelerra erscheint nur auf den ersten Blick so nüchtern. Im Zentrum steht die Arbeitsfläche mit der Zeitleiste. Der Arbeitsplatz wird dann um weitere Fenster ergänzt.
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Auf der offiziellen Seite des Projekts halten die Entwickler eine Dokumentation in englischer Sprache bereit, deren PDF rund 700 Seiten umfasst. Damit ist klar, dass Cinelerra GG die Ansprüche von professionellen Nutzern bedienen will. Einen wesentlichen Unterschied gibt es zu den anderen erwähnten Programmen: Cinelerra wird ausschließlich für Linux angeboten – neben einem unabhängigen Appimage stehen Pakete für zehn Distributionen zur Verfügung.
Nach dem ersten Programmstart blicken die Nutzer auf eine schlicht gestaltete Oberfläche, die lediglich die Zeitleiste und verschiedene Spuren zeigt. Die Anmutung täuscht allerdings, denn zum Konzept der Software gehört der intensive Gebrauch von Paletten und zusätzlichen Fenstern. Zunächst gilt es, über das Menü „Datei“ das Rohmaterial zu laden. Im nachfolgenden Dialog wählen Sie nicht nur das Material aus, sondern können über die kleinen Icons definieren, an welcher Stelle es im Projekt erscheinen wird.
Sie suchen nach der Vorschaufunktion oder der Übersicht der Ressourcen? Dazu müssen Sie in das Menü „Fenster“ wechseln, um sich die Paletten anzeigen zu lassen. Je mehr Zeit Sie mit Cinelerra verbringen, umso mehr werden Sie einen Multimonitor-Betrieb zu schätzen wissen. Cinelerra arbeitet mit vier Bildschirmbereichen respektive Fenstern:
das Programmfenster mit der Zeitleiste und den Werkzeugender Compositor, der den Inhalt der Zeitleiste darstelltdas Fenster mit den Ressourcender Viewer, der das Rohmaterial darstellt
Um besser zu verstehen, warum das so ist, ist es hilfreich, sich das Konzept zu verdeutlichen. Cinelerra ist zwischen Kamera und Projektor zwischengeschaltet, um Begriffe aus dem Kino aufzugreifen. Die Kamera nimmt Sequenzen aus den Quellen auf, die bis auf die Ebene von Einzelbildern manipuliert werden können.
Cinelerra: Das Programm kann Videos auch direkt aus externen Quellen wie einer Livecam aufnehmen.
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Der Projektor liefert das bearbeitete Material aus. „Kamera“ ist hier sogar wörtlich zu verstehen, denn die Software kann die Signale des angeschlossenen Equipments mit berücksichtigen (zum Beispiel eine Webcam). So können Sie eine aufgenommene Bildschirmsequenz für ein Tutorial mit Erläuterungen versehen. Das ist aber nur ein vorstellbares Szenario. Unnötig zu erwähnen, dass Sie auch unterschiedliche Audioquellen in das Werk einbeziehen können.
Effekte und Übergänge gibt es in Cinelerra selbstverständlich auch, allerdings müssen Sie hier wissen, was Sie eigentlich tun, damit sich auch der geplante Eindruck ergibt. Zudem gibt es mit der Funktion der Maskierungen auch noch Optionen, um einzelne Bildbereiche zu manipulieren oder unsichtbar zu machen.
Kurzum: Die Software bietet alle Werkzeuge und Funktionen, um aus dem Material anspruchsvolle Filme zu erstellen, um sowohl den Betrachter zu lenken als auch Störquellen zu eliminieren. Ähnlich wie Editoren für das Rohmaterial von Fotos speichert Cinelerra alle Bearbeitungsschritte in Form eines „EDL“, was für „Edit Decision List“ steht. Dabei handelt es sich um jeden Schnitt, jeden Effekt und jede Markierung, die Sie während der Arbeit mit dem Material gesetzt haben. Die Ausgangsquellen werden dabei nie verändert.
Erst mit dem Rendern entsteht aus den „Entscheidungen“ und den so markierten Teilen der Quellen ein neues Werk, was auch erklärt, dass dieser Vorgang eine Weile dauern kann. Cinelerra wird Einsteiger und ungeduldige Naturen heillos überfordern, aber Videoprofis die Tools an die Hand geben, um sie bei der Produktion anspruchsvoller Filme zu unterstützen.
Fazit und Empfehlung
Alle vier Programme sind Anwendungen für Videoschnitt und Videobearbeitung. Die beiden Extreme bilden Losslesscut und Cinelerra. Zu Losslesscut greifen Sie, wenn Sie schnell und wirklich unkompliziert und ohne kreative Wünsche Filme schneiden oder neue Clips zusammenfügen wollen. Das Entfernen unerwünschter Szenen aus einer Aufnahme oder Unterlegen einer Aufnahme mit einem Musiktrack ist schnell erledigt. Während Sie noch die Tutorials der anderen Werkzeuge durcharbeiten, sind Sie mit Losslesscut schon fertig.
Auf der anderen Seite ist Cinelerra angesiedelt, das sich auf Linux fokussiert. Das Programm deckt alle Arbeiten rund um die Erstellung eines professionellen Films ab – vom Capturing des Bildmaterials aus unterschiedlichen Quellen, inklusive der Liveaufnahme, der Komposition und dem Editieren von Video- und Audiosignalen. Ohne intensives Studium von Dokumentationen oder Videotutorials auf Youtube dürften Einsteiger aber kaum mehr als den Import ihres Rohmaterials in die Arbeitsfläche bewältigen. Zudem trägt die starke Nutzung von Satellitenfenstern und Paletten nicht zur Übersicht bei. Fleißige Nutzung der Fachtermini erfordert ebenfalls ein solides Grundwissen. Fortgeschrittene und Profis werden aber zufrieden sein, mit einem so umfangreichen Tool unter Linux arbeiten zu können.
Zwischen diesen Polen liegen Kdenlive und Openshot. Diese sind funktional gleichauf und ermöglichen schnelle Erfolge und sukzessive Einarbeitung in Effekte und Gestaltungsmöglichkeiten. Dazu greifen sie den Anwendern auch schon einmal unter die Arme. Die Entscheidung zwischen beiden ist eine Frage des persönlichen Geschmacks, respektive des Zielprojekts. Liegt der Schwerpunkt beim reinen Producing, also Zusammenschnitt, Überblenden und Nutzung von Effekten, ist Openshot ein guter Partner. Kdenlive bietet dies auch, hat aber zudem noch die eine oder andere Funktion, die kreativen und experimentierfreudigen Nutzern gefallen dürfte.
Siehe auch: Alleskönner VLC – Das kann der Mediaplayer in Linux
Professional Software