Die Folgen, die drohen, wenn digitale, für den Betrieb zwingend erforderliche Dienste plötzlich offline sind, führt die Insolvenz von van Moof vor Augen. Der niederländische Hersteller hat seine E-Bikes mit innovativen, aber teilweise essenziellen Funktionen ausgestattet, von denen nun ungewiss ist, wie lange sie noch funktionieren.
Dazu gehören das automatische Auf- und Abschließen, wenn man sich dem Rad mit seiner Smartphone-App nähert oder entfernt, das Einstellen von Gangschaltung, Beleuchtung und anderes mehr.
Weil all das natürlich nur dem Besitzer erlaubt sein soll, ist die Bluetooth-Verbindung zwischen Bike und Mobiltelefon verschlüsselt. Die Keys zum Absichern aber sind nicht ewig gültig, müssen also vom Hersteller bereitgestellt und gepflegt werden.
Noch funktioniert bei van Moof alles weiter, außerdem springt ein konkurrierender Hersteller mit einer Alternativ-App ein. Die aber funktioniert nur für bestimmte Modelle, das grundsätzliche Problem bleibt also bestehen.
E-Book-Reader, Webradio und Smart Speaker: Pech gehabt!
Kritiker mögen nun etwas wie „selbst schuld“ einwerfen, das aber wird der Sache aus zweierlei Gründen nicht gerecht. Erstens ist und war van Moof keine kleine Klitsche, im Gegenteil. Zweitens können Verbraucher die Gefahr der „digitalen Obsoleszenz“ beim Produktkauf oft gar nicht erkennen und abschätzen.
Wer konnte bei Webradios von Pure, E-Book-Readern von Amazon oder wie jüngst beim smarten Lautsprecher der Deutschen Telekom ahnen, dass die Geräte wenige Jahre später nicht mehr funktionieren. Nicht etwa deshalb, weil sie im herkömmlichen Sinne kaputt wären. Nein, einfach weil die für den Betrieb notwendigen Dienste im Hintergrund abgeschaltet wurden. Pech gehabt, sozusagen!
Problembewusstsein schärfen: Muss alles „volldigital“ sein?
Firmenpleiten gab es immer. Ging dann etwas kaputt, fehlte unter Umständen das Ersatzteil und man stand sprichwörtlich dumm da. Doch mit zunehmender Vernetzung und Zwangscloud beziehungsweise -App bei immer mehr Produkten ist die Dimension eine neue.
Geht es bei der Abschaltung vorwiegend um wirtschaftliche Interessen, würden strengere regulatorische Vorgaben mit gesetzlich garantierten Supportzeiträumen helfen. Das plant die EU in verschiedenen Bereichen. Ist eine Firma dagegen insolvent, hilft auch das nichts. Denn wo nichts ist, lässt sich bekanntlich auch nichts holen.
Vor diesem Hintergrund sollte man das Risiko digitaler Obsoleszenz zukünftig zumindest nicht ganz ausblenden. Das allerdings ist manchmal leichter gesagt als getan und – nur um ein Beispiel zu nennen – beim Auto kaum zu überblicken. Nun existieren Audi, BMW, Mercedes und so weiter vermutlich noch länger, abgeschaltet aber haben auch Autohersteller schon ursprünglich als innovativ gepriesene Dienste.
Anderswo fällt das Abwägen einfacher: So praktisch die automatische Steuerung und die Cloudanbindung vieler Geräte – von der Waage im Badezimmer bis zur Lichtsteuerung im smarten Zuhause – sind, ohne digitale Anbindung droht ihnen das Schicksal „Elektroschrott“. Dass das mittlerweile auch „mechanische“ Produkte wie Fahrräder betrifft und sogar vor renommierten Firmen wie Amazon und Deutscher Telekom nicht haltmacht, macht klar: Mehr digital ist nicht immer besser.
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