Wer aufmerksam durchs (öffentliche) Leben geht, dem ist es vielleicht schon mal aufgefallen: Aus manchen Wänden ragen scheinbar wahllos USB-Stecker heraus. Dahinter und im Gemäuer verborgen, versteckt sich der Körper eines Speichermediums – aber warum?
Tatsächlich handelt es sich bei der Erscheinung nicht um das Beiwerk technologiefeindlicher Bauarbeiter, sondern um eine Art Kunstwerk mit Anti-Cloud-Statement. Und das kommt auch noch aus Deutschland. Hier lesen Sie die Hintergründe.
Statement gegen totale Vernetzung
Vor 14 Jahren ging es los: Der deutsche Künstler Aram Bartholl hat damals das Projekt „Dead Drops“ ins Leben gerufen. „Dead Drops“, das steht eigentlich für „Tote Briefkästen“ und findet eher im rechtlichen Grauraum Anwendung – solche Briefkästen sind nämlich nur Eingeweihten bekannt und dienen eigentlich dem unbemerkten oder anonymen Austausch von Waren, Informationen oder Geld.
Neben Gangstern werden solche Systeme auch von Journalisten genutzt – oder ganz banal von Liebespärchen zum romantischen Austausch.
Der Künstler Bartholl aus Bremen hatte mit seiner Initiative allerdings nur den Austausch von Informationen im Sinn – und will damit ein Statement gegen die totale Cloud-Vernetzung setzen. In seinem Manifest auf der Projekt-Page erklärt es der Künstler so:
[]…In einer Zeit mit wachsender Bedeutung von Cloudcomputing und ‘tollen’ neuen Geräten ohne Zugriff auf lokale Dateien müssen wir die Freiheit und die Verteilung von Daten neu überdenken. Die Dead Drop Bewegung ist auf dem Weg dies zu ändern!
Befreie deine Daten für die Allgemeinheit in Zement! Installiere noch heute deinen eigenen Dead Drop! Befreie deine Daten aus der Cloud, jetzt!!
Aram Bartholl, 2010
Bei seinen Dead Drops geht es also darum, ein anonymes, öffentliches Peer-to-Peer-Netzwerk zu kreieren, bei dem jeder eingeladen ist, mitzumachen. Man kann es vielleicht auch so sehen: Es geht wohl um ein kurioses Kunstprojekt als Gegenbild zur Cloud, bei dem sich Mitmachende von Zufallsmedien überraschen lassen können. Der Clou dabei: Daten spürt man mit den Dead Drops nicht im dunklen Kämmerchen am PC auf, sondern muss dafür nach draußen gehen.
Um mitzumachen, kann man jeder seinen Laptop mit einem der herausragenden Stecker in Mauern, Bordsteinen oder Hauswänden verbinden und sich die gespeicherten Medien ansehen – oder eigene Lieblingsbilder, Videos, Gedichte oder Ähnliches darauf abspeichern. (Bevor Sie Ihren Laptop an fremde USB-Stecker hängen, raten wir, den Absatz zur Sicherheit am Ende dieses Beitrags zu lesen.)
USB-Sticks darf jeder auch selbst einmauern
Foundry
Jeder kann auch selbst zum Schnellzement greifen und einen eigenen USB-Stick einmauern. Wichtige Vorgabe: Das Speichermedium muss leer sein – bis auf eine Readme-Datei, die das Projekt erklärt. Die Datei können Sie hier ansehen und gegebenenfalls herunterladen.
Die ersten 5 Dead Drops hat Aram Bartholl selbst eingemauert, das war 2010 in New York. Inzwischen sind weltweit mehr als 2.300 Stück zu finden, in Deutschland sind es mehr als 400.
Auf einer Weltkarte kann man sich Locations und die Verteilung genau ansehen, alle neu installierten USB-Sticks müssen zudem auf der Webseite des Projekts gelistet werden. Zuletzt wurde ein Stick in Peine, Niedersachsen eingemörtelt.
Fremder USB-Anschluss – wie gefährlich sind Dead Drops?
Wer selbst einen Dead Drop gefunden hat (entweder durch Zufall oder mithilfe des Webseiten-Registers) und sich für die verborgenen Daten interessiert, sollte bedenken, dass vielleicht nicht jeder Teilnehmer Gutes im Schilde führt. Bei der Nutzung der Sticks sollte man vor allem diese potenziellen Gefahren beachten:
Schadsoftware: Theoretisch kann der eingemauerte Stick mit Malware infiziert sein. Unser Tipp: Ob Sie bei den Dead Drops mitmachen oder nicht – nutzen Sie am besten immer aktuelle und zuverlässige Antivirus-Programme.
Womöglich verstörendes oder illegales Material: Auch ohne Malware zu finden, kann man es bereuen, auf einen fremden USB-Stick zuzugreifen. Zum einen können darauf illegal kopierte Programme zu finden sein, was gerade bei den Dead Drops wohl nicht selten vorkommt. Und noch ein weiteres Risiko droht:
Denn während man von raubkopierten Adobe Suites oder Windows-Image-Dateien noch mühelos die Finger lassen kann, gestaltet es sich bei verstörendem Material schon schwieriger.
Wenn sich hinter scheinbar harmlosen Dateinamen exzessive Gewaltdarstellungen („Snuff“) oder (extreme) pornografische Darstellungen verbergen, entsteht der persönliche Schaden womöglich schon bevor man weiß, worauf man sich da gerade eingelassen hat. Auch wenn Meldungen zu solchen Vorfällen bisher kaum zu finden sind, sollte man sich bei den Dead Drops über diese Risiken im Klaren sein.
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