Der Hype um Künstliche Intelligenz (KI) ist gigantisch, die PC-Branche stürzt sich wie ein ausgehungerter Bär auf das Thema, um die stagnierenden PC- und Laptop-Verkäufe anzukurbeln. Doch es fehlt an allen Ecken und Enden an KI-Software.
Intel und Microsoft haben nun gemeinsam im Rahmen des AI PC Acceleration Program erste Standards präsentiert, die einen Rechner zum KI-PC machen:
Der Rechner besitzt speziell für KI-Berechnungen konzipierte Schaltkreise. Intel bringt dabei die Neural Processing Unit (NPU) ins Spiel, die in allen Core-Ultra-CPUs verbaut ist. Auch AMD hat beim Ryzen 8000 eine Art NPU integrieren. Die Hardware-Voraussetzung für einen KI-PC beziehen aber auch Grafikkarten ein – sofern sie über entsprechende KI-Rechenwerke verfügen – beispielsweise die Tensor-Cores von Nvidia.
Der KI-PC muss laut Microsoft auch den Copilot-Assistenten enthalten – der in Windows 11 integriert ist. Wir wollen Microsoft nichts unterstellen, aber diese “Zwangsmaßnahme” soll wohl auch die installierte Basis von Windows-11-Rechnern beflügeln – Windows 10 ist nach wie vor das meistgenutzte Betriebssystem auf Desktop-PCs und Laptops.
Die dritte Voraussetzung für einen KI-PC ist die spezielle Copilot-Taste auf der Tastatur, die in der Regel die rechte Windows- oder Strg-Taste ersetzt.
Allerdings ist das Copilot-System von Microsoft immer noch fast vollständig von entfernten Rechenzentren abhängig. In Zukunft soll Copilot dank lokaler Hardware wie den NPUs effizienter und flotter arbeiten. Laut Intel sind dafür künftig NPUs notwendig, die 40 Trillionen Operationen pro Sekunde (TOPS) durchführen können, um den Hauptprozessor mehr oder weniger vollständig zu entlasten. Als Nebeneffekt soll dabei auch der Stromverbrauch sinken, was insbesondere bei Laptops interessant ist.
TOPS: Metrik für KI-Leistung
Um unterschiedliche KI-Hardware-Architekturen vergleichen zu können, nutzt die Branche die Einheit “Trillion Operations per Second” (TOPS). Die Zahl drückt also aus, wie viele Rechenoperationen ein KI-Chip pro Sekunde durchführen kann. Gemäß den CPU-Herstellern kommt die NPU des Core-Ultra bei der aktuellen Meteor-Lake-Architektur auf circa 10 TOPS, AMDs Ryzen 8000 soll 16 TOPS bieten.
Die TOP-Metrik berücksichtigt aber nicht, wie komplex die KI-Operationen sind. Erschwerend hinzu kommt, dass KI-Architekturen häufig auf bestimmte Einsatzgebiete spezialisiert und entsprechend komplex programmiert sind. Ein Vergleich der “rohen” Rechenleistung von KI-Einheiten kann also auch in die Irre führen.
Noch fehlt es auch an Benchmarks, um die KI-Leistung messen zu können. Zu den wenigen Ausnahmen gehört der Procyon AI Benchmark, der aus den oben genannten Gründen in der Regel wenig Erkenntnisgewinn liefert.
KI-PC: Zu wenig Software mit geringer Nützlichkeit
Bei Grafikkarten hat KI ihre Daseinsberechtigung schon unter Beweis gestellt, beispielsweise beim Hochskalieren über die Technik Nvidia DLSS 3 oder der Rauschunterdrückung via Nvidia RTX Voice. Beim KI-PC beschränken sich die Aufgaben der NPU derzeit auf so banale Funktionen wie die Regulierung der Hintergrund-Unschärfe bei einem Videoanruf oder die Verarbeitung eines OBS-Streams, während Sie Spiele spielen.
Nicht gerade revolutionär, denn das konnten die Prozessoren vorher auch schon. KI im PC entpuppt sich also bei näherer Betrachtung aktuell nur als Marketing-Gag – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Ein weiteres potentielles Problem: Das AI PC Acceleration Program legt die Nutzung des hauseigenen Windows Machine Learning (WinML) nahe.
WinML gehört aber beileibe nicht zu den leistungsfähigsten APIs. Was hier bereits möglich ist, zeigen beispielsweise AMD ROCm, Intel OpenVino und Nvidia TensorRT. Es tobt parallel also auch eine Schlacht der KI-APIs, was die Verbreitung des KI-PCs zusätzlich verkompliziert.
Was genau die Software-Anbieter im KI-Bereich in Zukunft liefern werden, ist noch unklar. Todd Lewellen, Vizepräsident und General Manager des PC-Ökosystems in der Client Computing Group (CCG) von Intel, sagte, dass das Unternehmen sein Ziel, mit den 100 größten unabhängigen Software-Anbietern (ISVs) zusammenzuarbeiten, zur Hälfte erreicht hat, darunter so namhafte Marken wie Adobe, Webex, Zoom und Co.
Intel
Wenn Entwickler ehemals CPU-spezifische Aufgaben auf die NPU verlagern, könnten PC-Benutzer etwa 1,5 bis 2,5 Watt an Energie zurückgewinnen – genug für eine zusätzliche Stunde Akkulaufzeit, so Lewellen. Entwickler wie Adobe verlagern beispielsweise die Rauschunterdrückung auf die integrierte GPU, während Wondershare-Anwendungen wie Filmora auf der CPU, der GPU und der NPU gemeinsam laufen, um die Leistung zu steigern.
KI-Starthilfe: Gratis Dev-Kits von Intel
Um die Entwicklung von KI-Software zu beschleunigen, stellt Intel KI-Entwicklern auf Anfrage kostenlos den Mini-PC Asus NUC 14 Pro mit Core-Ultra-CPU als Teil eines AI-Developer-Kits zur Verfügung. Zudem sollen lokale Support-Studios in China, den USA und Taiwan den Entwicklern mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Ziel Nummer eins ist die Skalierung auf über 100 Millionen KI-PCs bis 2025 und wir sind auf dem besten Weg, diese Zahl zu erreichen”, fügte Carla Rodriguez hinzu, Vizepräsidentin bei Intel und General Managerin des Client-Software-Ökosystems.
Hochgesteckte Ziele hat sich Intel da vorgenommen, denn nüchtern betrachtet steckt der AI-PC noch in den Kinderschuhen. Und auch die Daseinsberechtigung muss der KI-PC noch unter Beweis stellen – mit KI-Software, die tatsächlich unseren Arbeitsalltag und die private PC-Nutzung spürbar erleichtert.
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