Vielleicht ist es Ihnen auch schon passiert: Sie schließen bei einem renommierten Anbieter ein neues 2-Jahres-VPN-Abo für 56,97 Euro ab und bei der Bezahlung werden daraus dann 67,79 Euro. In diesem Fall war der ursprüngliche Preis auf der Webseite eine Netto-Angabe.
An der Kasse kommt die in Deutschland gültige Umsatzsteuer (“Mehrwertsteuer“) von 19 Prozent dazu. Diesen Trick nutzen bei unseren Stichproben einige VPN-Anbieter, die wir bereits ausführlich getestet haben.
Testsieger NordVPN schreibt “Ggf. fällt MwSt. an.“ Die fällt für Nutzer mit einem Wohnsitz in Deutschland ganz sicher an. An der Kasse werden folglich auch 19 Prozent auf den Netto-Betrag addiert.
Surfshark ergänzt beim Preis in Klammern “zzgl. MwSt.“ und weist den tatsächlichen Preis inklusive 19 Prozent Umsatzsteuer auch erst an der Kasse – also im Bezahlvorgang – aus.
Cyberghost verschleiert den Preis auf seiner Webseite weit unterhalb der Preisangabe mit einem Zusatz in kleinerer Schrift: „Beträge werden in Euro angezeigt. Je nach Steuergesetzgebung deines Landes können Steuern anfallen.“ Und ja, an der Kasse wird es dann 19 Prozent teurer.
Christoph Hoffmann
Sehen Sie sich die Angebote von Cyberghost, Surfshark und NordVPN an.
Auf den ersten Blick vorbildlich zeigen sich Proton VPN und Privado VPN. Die Anbieter mit Sitz in der Schweiz stellen exakt den Preis in Rechnung, der auf der Webseite angezeigt wird. Allerdings wird keine Umsatzsteuer in der Rechnung ausgewiesen.
Private Internet Access gibt keinen Hinweis zur Umsatzsteuer an und berechnet sie auch nicht beim Check-out an der Kasse. Das Gleiche erleben wir bei Atlas VPN, Hidden24, PureVPN, Express VPN und Ivacy: Auch hier wird im Zahlungsvorgang keine Umsatzsteuer berechnet. Sie bezahlen an der Kasse den angegebenen Preis.
Sie sehen: Die Preise sind auf den ersten Blick gar nicht vergleichbar. Seltsam nur, dass ausgerechnet die großen Anbieter NordVPN, Surfshark und Cyberghost zum Mehrwertsteuertrick greifen.
Beachten Sie also, dass Sie bei diesen Angeboten immer 19 Prozent hinzurechnen müssen. In unseren Tests und anderen VPN-Artikeln geben wir immer die Bruttopreise an. Das ist der Betrag, den Sie tatsächlich bezahlen – ohne Wenn und Aber.
Ist ein Netto-Preisangabe rechtens?
Seit dem 28. Mai 2022 gilt in Deutschland die überarbeitete Preisangabenverordnung – kurz PAngV. Sie basiert im Wesentlichen auf der EU-Richtlinie 2019/2161, die bereits im Januar 2020 in Kraft getreten ist. Sie regelt im E-Commerce und Einzelhandel, wie Unternehmen Endverbrauchern die Preise für Waren und Dienstleistungen mitzuteilen haben.
Wichtigster Punkt für unser Thema: Wer als Unternehmer Waren unter Angabe des Preises anbietet oder bewirbt, muss Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren, dass die angegebenen Preise die gesetzliche Umsatzsteuer enthalten. Die Angabe des Endpreises ist verpflichtend – immer inklusive Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile. Die Angabe des Nettopreises ohne Umsatzsteuer ist unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn der Preis mit dem Zusatz „zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer“ versehen ist.
Auf den ersten Blick betrifft die EU-Preisangabenverordnung laut den Angaben im Impressum der Webseiten direkt nur Cyberghost (Rumänien) und Surfshark (Niederlande) – alle anderen genannten Anbieter haben ihren Firmensitz außerhalb der Europäischen Union.
Um sicherzugehen, haben wir bei der Verbraucherzentrale Bayern nachgefragt und folgende Antwort erhalten:
Ganz grundsätzlich gilt: Wenn Unternehmer Verbrauchern Waren oder Dienstleistungen anbieten, müssen sie stets den Gesamtpreis angeben, also den Preis einschließlich der Umsatzsteuer. Gibt ein Unternehmer lediglich Nettopreise an und richtet sich das Angebot zumindest auch an Verbraucher (und nicht nur an andere Unternehmer), stellt das einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) dar.
Auch ausländische Unternehmen müssen sich an die PAngV halten, wenn sie ihre Waren oder Dienstleistungen in Deutschland anbieten. Sollten die Firmen ihr Angebot an deutsche Verbraucher richten, sind sie verpflichtet, den Gesamtpreis inklusive Umsatzsteuer anzugeben.
Verbraucherzentrale Bayern
Entsprechend sind die Angaben mit Nettopreisen eine Irreführung der Käufer.
NordVPN sieht das freilich anderes und schreibt in seinen Allgemeinen Nutzungsbedingungen unter Punkt 5 “Preise und Zahlungen“:
Es ist möglich, dass die Preise unserer Dienste, die dir zu Beginn angezeigt wurden, keine Steuern enthalten. Da unsere Dienste weltweit angeboten werden und aufgrund der Mobilität unserer Kunden sind wir möglicherweise nicht in der Lage, die für dich geltenden besonderen Steuern im Voraus zu bestimmen.
Daher können wir die zusätzlichen obligatorischen Steuern (zum Beispiel Umsatzsteuer, Mehrwertsteuer oder eine andere obligatorische Steuer nach den für dich geltenden Gesetzen) erst berechnen, nachdem du dein steuerliches Wohnsitzland ausgewählt hast. In jedem Fall zeigen wir dir die Summe der zusätzlichen Steuern, die auf deinen Kauf anwendbar sind, zusammen mit dem Gesamtpreis deiner Zahlung an, bevor wir dir die Zahlung in Rechnung stellen.
NordVPN
Das sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke
„In Deutschland gilt die Preisangabenverordnung. Danach müssen (Online-)Händler gegenüber Verbrauchern immer die Bruttopreise angeben. Außerdem müssen sie irgendwo einen Zusatz wie „inkl. MwSt.“ oder „inkl. USt.“ unterbringen. Die Preisangabenverordnung ist ein deutsches Gesetz, das aber die EU-Preisangabenrichtlinie umsetzt.
Diese Richtlinie selbst sieht ebenfalls vor, dass der Preis gegenüber Verbrauchern immer inklusive Umsatzsteuer angegeben werden muss. Somit ist in anderen EU-Staaten die Angabe des Bruttopreises ebenfalls verpflichtend. Details zur Preisangabe sind aber in jedem EU-Land unterschiedlich geregelt. Die Schweiz ist kein EU-Land, hier wissen wir nicht, wie die Vorgabe zur Preisangabe aussieht.
Nach den weltweit gültigen ROM-Verordnungen gilt: Das jeweils nationale Recht zu Preisangaben müssen ausländische Anbieter nur beachten, wenn sie sich auch explizit an die Verbraucher in diesem Land richten (Marktortprinzip). Das ist in jedem Fall so, wenn man die Website in der Landessprache anbietet, wenn man eine Unterseite mit der Top-Level-Domain des Landes hat oder Werbung explizit an Verbraucher in diesem Land richtet. Anders sieht es aus, wenn die Website nur zum Beispiel auf Englisch ist und keine Werbung in dem jeweiligen Land gemacht wird.“
Christian Solmecke
Christian Solmecke (49) hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.LEGAL auf die Beratung der Internet- und IT-Branche spezialisiert.
Bei allen anderen Anbietern könnte man nun einfach annehmen: Wenn keine Umsatzsteuer verlangt wird, braucht sie auch nicht ausgewiesen werden. Doch ganz so einfach ist es nicht.
Warum mal mit und mal ohne Umsatzsteuer?
Einige Anbieter verlangen deutsche Umsatzsteuer und andere Anbieter ignorieren sie völlig. Was steckt dahinter?
Hinweise zur Umsatzsteuerpflicht gibt es etwa beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt): Ist der Leistungsempfänger eine in Deutschland ansässige Privatperson, muss das leistende Unternehmen aus dem Drittland (außerhalb der EU) die deutsche Umsatzsteuer von 19 Prozent in Rechnung stellen und an das deutsche Finanzamt abführen, sofern eine EU-weite Umsatzschwelle von 10.000 Euro im Jahr überschritten wird.
Steuerlich völlig korrekt handeln Cyberghost und Surfshark. Die Unternehmen haben ihren Firmensitz in Bukarest beziehungsweise Amsterdam – also innerhalb der EU. Entsprechend wird die für Kunden mit Wohnsitz in Deutschland geltende Umsatzsteuer auf den Nettopreis aufgeschlagen.
Legen wir das zugrunde und unterstellen entsprechende Umsätze von mehr als 10.000 Euro, handeln alle VPN-Anbieter aus Drittländern unzulässig, die keine Umsatzsteuer ausweisen und berechnen. Lediglich NordVPN macht an dieser Stelle alles richtig.
Ihnen als Kunde kann es im Grunde egal sein. Sie sind nicht dafür verantwortlich, ob die Hersteller Umsatzsteuer an die deutschen Finanzbehörden abführen oder nicht.
Lesetipp:
Security Software and Services