Assassin’s Creed Mirage ist wirklich ein Traum für Stealth-Könige. Wer Sam Fisher in Splinter Cell oder einfach die alten Assassin’s Creeds liebte und generell dieses heimliche Vorgehen mag, der wird im wunderschönen Bagdad des 9. Jahrhunderts viel Freude haben und vor allem Varianz im Gameplay erleben.
Wir werfen Münzen, lenken kurz eine Wache ab, huschen um die Ecke. Wir drücken uns in dunkle Ecken, weil am Abend könnte uns selbst unser Schatten in einer Kerze verraten. Das ist ein ganz anderes Spielgefühl als Valhalla: Denn dort sind wir ein Bär von einem Mann, mit Armen wie Baumstämmen schwingen wir die Axt und lassen die englische Armee erzittern.
Auch Valhalla hatte seine Momente, aber in Mirage wirkt sehr viel mehr Hand gebaut. Achten Sie mal auf die fein gearbeitete Vase, die Verzierungen an den Wänden. Jedes einzelne Haus, jeder Raum hat diese Liebe zum Detail, die nur in einem kleineren Assassin’s Creed möglich ist.
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In Assassin’s Creed Mirage müssen wir ganz schön aufpassen, denn Basim hält gerade zu Beginn mit seiner Diebesausrüstung, also einem einfachen Hemd nicht viel aus und hat interessanterweise in den ersten Missionen auch gar keine Waffen.
Ubisoft möchte uns wirklich darauf vorbereiten, langsam, bedacht und leise vorzugehen, Heuhaufen zu nutzen, sich in der Menge zu verstecken, den Taschendiebstahl als kleines Event zu perfektionieren. Wir sollen nämlich den Schlüssel eines Hauptmanns der Garde Bagdads mopsen und der Kommandeur ist ziemlich gut bewacht – so drei, vier Mann direkt neben ihm, aber auch auf Türmen und am Tor laufen drei grimmige blickende Soldaten Patrouille.
Schönes Video von Youtube-Kollege FragNart zu Assassin’s Creed Mirage:
Wer da einfach hereinstolpert, wie das Eivor der Wikinger gemacht hätte, der zieht schnell den Kürzeren. Ubisoft Bordeaux feiert die Rückkehr von Stealth, Parkour und dem Austüfteln smarter Fluchtrouten. Wir können etwa Leitern hochkraxeln, die dann umstoßen und so die Stadtwache verlangsamen. Oder einen Gewürzstand umschmeißen – nicht die feine Art, aber was soll so ein armer Strolch machen, wenn er noch kein Scimitar-Schwert bei sich hat, sondern nur die blanke Faust eines eher schwächlichen Jünglings.
Schließlich stehen wir hier ganz am Anfang. Wir sind der Padavan-Schüler, der erst noch vom Assassinen-Bund zum kaltschnäuzigen Rächer geformt werden muss.
Basim, der junge Padawan, der erst noch zum Assassinen-Jedi reifen muss
Ubisoft dreht gerade zu Beginn das Tempo merklich runter, damit die Story und Charakterentwicklung von Basim mehr Raum einnehmen kann. Wir sind auch eher schwach, haben keine Waffen und suchen oft unser Heil in der Flucht.
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Hat ein wenig von Star Wars, wir sind der Padawan, der viel, viel zu lernen hat. Fühlt sich aber gut an, weil wir einfach mal ein wenig beobachten müssen, ein bisschen mehr als in Splinter Cell.
Jener Kommandeur der Stadtwache verschwindet nach gewisser Zeit in seinen Gemächern und na huch – wenn wir etwas kraxeln, über Wäscheleinen balancieren und uns von Dach zu Dach vorarbeiten, dann können wir einfach durch sein geöffnetes Fenster schlüpfen, den Schlüssel stehlen, als er gerade in seiner Geldschatulle herumkramt und wieder verschwinden. Oder höheres Risiko gehen, den guten Mann ausknocken und um seine von anderen Händlern erpresste Goldstücke bringen – der sucht uns dann aber umso vehementer.
Assassin’s Creed Mirage ist ein Stealth-First-Spiel: Da wir eher Kutte denn Plattenpanzer tragen, halten wir nur wenige Schläge aus und müssen Wege finden Soldaten zu trennen, abzulenken oder einzeln auszuschalten.
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Nach ersten Diebstählen im Stadtteil Anbar reisen wir nach Alamut, wo eine Novizin des Ordens uns beibringt, wie der Leap of Faith denn richtig funktioniert – jener ikonische Sprung von den Türmen der Stadt in einen Heuhaufen will natürlich gekonnt sein.
Wir erinnern uns an den ersten Trailer: Die Stadtwache will unseren schüchternen Dieb hinrichten, Roshan (großartig gespielt von The Expanse-Ikone Shoreh Aghdashloo, die diese eindringliche, rauchige Stimme hat, was jeder Szene eine gewisse Epik verleiht) rettet uns und befindet, dass der junge Basim Potenzial hat, aber noch ein langer Weg vor ihm liegt.
Mirage erbt das etwas Bewegungssystem von Valhalla, Basim ist also nicht ganz so agil und geschmeidig unterwegs wie Arno Dorian, der in Assassin’s Creed Unity klettert wie eine Katze. Viel Spaß macht das trotzdem.
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Zugegeben, das Tempo in diesen ersten 40 Minuten ist etwas gedrosselt, aber wir halten das für sinnvoll, weil gerade jene, die nur Valhalla kennen und vielleicht kein Unity gespielt haben, nicht mit all den Möglichkeiten des Parcours vertraut sind, aber der ist es schließlich, der mit am meisten Spaß macht. Das hat auch eine schöne Komponente, einfach weil Basim nicht alles direkt kann, sondern zu Beginn noch etwas wacklig auf dem Holzbalken unterwegs ist. Wenn wir auf einer Wäscheleine balancieren müssten, würden wir beim ersten Mal auch runterplumpsen.
Das erste Scimitar, die ersten Kämpfe, Sandstürme hoch zu Kamel und Basim als Spion
Die Geschichte rollt sich von hinten auf: In Valhalla erleben wir Basim ja als extrem unsympathischen, ungemütlichen Typen und die Geschichte erzählt uns, wie es dazu gekommen ist.
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Assassin’s Creed Mirage hat viele, viele Ideen, um seinem Kampf mehr Dynamik und Intelligenz zu geben, als in Valhalla. Wir sind eben nicht mehr die Wildsau in Odins Rüstung, der mit Doppelt-Äxten um sich wirft, sondern müssen uns wirklich überlegen, wie wir Basen knacken:
Weil Basim zu Beginn noch keinen Konter-Kill setzen kann und auch nur eine Kutte hat, müssen wir Soldaten mit Kettenrüstung versuchen auseinanderzutreiben: Stehen zwei Einheiten auf einem Balkon, lenkt man den einen ab, lockt ihn von seiner Position weg, schlüpft durchs Fenster, kraxelt aufs Dach und schaltet den anderen via Tod von oben aus.
Grafisch bewegen wir uns auf Valhalla-Niveau – technisch okay, aber nicht überragend. Ubisoft muss allerdings noch die Old-Gen mitschleppen und das merkt man, gerade Gesichtsanimationen in Zwischensequenzen liegen weit, weit hinter einem Cyberpunk 2077: Phantom Liberty.
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Lässt sich via Seilzug wieder hochfahren, der andere entdeckt seinen gemeuchelten Kollegen, will gerade Alarm geben. Mist, kein Messer mehr übrig, ergo schmeißen wir eine Vase auf den Helm des zweiten Soldaten des Kalifen und der geht schlafen. Sind beide ausgeschaltet, kraxeln wir runter, sammeln unsere Messer wieder ein und können die jetzt etwa benutzen, um das Seil eines Krans durchzuschneiden, der schwere Mauerblöcke transportiert und richten so ein heilloses Chaos an, was wir nutzen können, um unser Missionsziel zu finden.
10 Minuten 4K-Gameplay von Assassin’s Creed Mirage:
Und das zieht sich durch das ganze Missionsdesign – in der nächsten Operation feuern ständig Bogenschützen auf unseren Vogel Enkidu, der eigentlich als Drohne fungiert, um Soldaten auf der Karte zu markieren. Wir tauchen am Hafen durchs Wasser, suchen uns eine sichere Position, schalten den ersten und zweiten Schützen per Messerwurf aus, für den dritten und vierten müssen wir hingegen kreativer werden, sie etwa mit Knallbomben in einen anderen Bereich locken und die Unruhe nutzen, um uns an die eigentliche Zielperson, den Hafenmeister zu schleichen. Wir könnten aber auch ein paar Rauchbomben platzieren und per Tod von oben kommen.
Vermutlich ein Bug der früheren Version: Gesprächspartner schauen gerne mal ins Leere und nicht Basim in die Augen. Aber Bagdad, diese wunderschön gestaltete Welt, in die haben wir uns jetzt schon verliebt.
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Oder, oder, oder. Wir können sogar mit Kidhmah-Tokens Söldner anheuern, die einen Angriff wagen und so militärische Einheiten von unserem Zielgebäude weglocken. Oder ein Händler namens Kong öffnet uns geheime Wege, wenn wir ihm mit seinem Problem mit dem Hafenmeister geholfen haben, der stets seine Waren konfisziert. Kong erkennt schließlich gar, dass wir eigentlich alte, verlorene Freunde sind und öffnet sein Netzwerk.
Viele Wege führen zum Ziel in diesem neuen Assassin’s Creed, welches nicht so gigantisch ist wie Valhalla, dafür aber sehr viel liebevoller gearbeitet – Valhalla hatte gefühlt viele Militärbasen, die sich immer sehr ähnelten.
Basim, der Spion: Hier hören wir einfach nur zu, wie sich zwei Frauen über ihren Boss, eine Parfümeurin unterhalten, zu der wir nur Zugang erhalten, wenn wir vorher eine edle Brosche ersteigern oder entwenden.
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Bagdad ist mit sehr viel mehr Sorgfalt gebaut und fühlt sich abwechslungsreicher an – es gibt etwa dieses Hafenviertel, aber auch eines für Intellektuelle mit Bibliotheken in dieser bezaubernden Abbasiden-Architektur. Ein Händlerviertel, eines mit Villen und alles ist durch den Fluss Tigris verbunden, wodurch wir auch immer schnell im kühlen Nass abtauchen können. Wer mal wieder Lust hat auf ein kleineres, dafür viel mehr Hand gebautes Assassin’s Creed zum Schnäppchenpreis von nur 49,99 Euro hat, dürfte hier wenig falsch machen.
In Assassin’s Creed Mirage tauchen wir bereits ab 05. Oktober 2023 ab – auf PC, Xbox Series X/S sowie Playstation 5 und Old-Gen.
Die größten Spiele des Herbst 2023:
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