Das Bundeskartellamt hat gegen das bekannte Berliner Telekommunikationsunternehmen AVM und gegen “einen ihrer verantwortlich handelnden Mitarbeitenden” Bußgelder in Höhe von insgesamt knapp 16 Millionen Euro verhängt. Das teilt das Bundeskartellamt hier mit.
Grund für die Bußgelder sei eine “vertikale Preisbindung mit sechs Elektronikfachhändlern”. Damit habe AVM die freie Preisbildung für AVM-Produkte verhindert. Oder ausführlicher:
Wir werfen AVM vor, über Jahre hinweg die freie Preisbildung beim Vertrieb seiner Produkte an Endverbraucherinnen und -verbraucher eingeschränkt zu haben. Durch Abstimmungen mit Elektronikfachhändlern über Anhebungen von Endverbraucherpreisen wurde darauf hingewirkt, den Preiswettbewerb gegenüber den Endverbraucherinnen und -verbrauchern einzuschränken. Das Bundeskartellamt sendet mit den verhängten Bußgeldern ein klares Signal, dass Verstöße gegen das Verbot der Preisbindung nicht toleriert werden.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes
Mitarbeiter von AVM haben laut dem Bundeskartellamt neben den üblichen Verhandlungen über Einkaufspreise mit den beteiligten Elektronikfachhändlern auch noch Abstimmungen über die Endverbraucherpreise für AVM-Produkte getroffen. Diese Abstimmungen bezogen sich grundsätzlich auf eine Anhebung dieser Preise, teilweise wurden demnach auch bestimmte Mindestverkaufspreise (sog. Zielpreise) gefordert, welche zwischen der unverbindlichen Preisempfehlung und dem Einkaufspreis der Händler lagen.
Die AVM-Mitarbeiter hätten die Endverbraucherpreise der Händler fortlaufend beobachtet, wobei sie neben Recherchen im stationären Handel und Preisvergleichsdiensten im Internet mindestens seit Mitte 2019 auch eine spezielle Software verwendet hätten. Die Abstimmungsmaßnahmen erfolgten dann in unterschiedlicher Intensität insbesondere dann, wenn Endverbraucherpreise in hohem Maße unter den sogenannten Zielpreisen lagen oder nach entsprechenden Beschwerden von Händlern über nicht auskömmliche Endverbraucherpreise. In vielen Fällen hätten die Händler nach Interventionen von AVM eine Erhöhung der von AVM beanstandeten Endverbraucherpreise zugesagt beziehungsweise ihre Endverbraucherpreise nach oben angepasst, wie die Behörde ausführt.
So kam das Bundeskartellamt AVM auf die Spur: “Eingeleitet wurde das Verfahren nach einer anonymen Eingabe im Hinweisgebersystem (BKMS) des Bundeskartellamtes und weiteren Hinweisen aus dem Markt mit einer Durchsuchung im Februar 2022”.
Die Bußgeldbescheide sind rechtskräftig, AVM und das Bundeskartellamt haben sich einvernehmlich auf die Bußgelder geeinigt. Gegen die beteiligten Händler sind dagegen keine Bußgeldbescheide ergangen.
Stellungnahme von AVM
Wir fragten bei AVM nach einer Stellungnahme. Diese erreichte uns prompt:
“Einvernehmliche Beendigung des Bundeskartellamtsverfahrens gegen AVM
Im Rahmen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (sog. Settlement) konnte das gegen AVM eingeleitete Verfahren des Bundeskartellamts jetzt beendet werden. Das Kartellamt hatte gegen AVM seit Anfang 2022 wegen einer möglichen vertikalen Preisbindung ermittelt. Durch die einvernehmliche Beendigung werden langwierige Ermittlungen und juristische Auseinandersetzungen vermieden. Zum Settlement gehört auch ein Bußgeld in Höhe von 15,8 Mio. Euro. AVM hat die einvernehmliche Verfahrensbeendigung auch deshalb gewählt, um den anstehenden Generationswechsel (gemeint ist: AVM-Gründer wollen sich zurückziehen – das ist der Grund) von Belastungen der Vergangenheit freizuhalten.
Das Bundeskartellamt hatte dem Unternehmen Einfluss auf die Preisgestaltung bei Händlern vorgeworfen. Diese sogenannte vertikale Preisbindung ist nicht zulässig. AVM hat in einem sich stark verändernden Markt den stationären Handel unterstützt, damit dieser gegenüber dem wachsenden Onlinehandel wettbewerbsfähig bleibt. Kleinere Händler konnten Produkte zu günstigen Einkaufspreisen für ihren beratungsintensiven stationären Handel erwerben. Der Online-Verkauf zu diesen Konditionen war nicht vorgesehen. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes war das in dieser Form nicht zulässig. Es soll dem Markt überlassen werden, welche Händler bestehen und welche nicht. Die Geschäftsführung von AVM bedauert, wenn das Vorgehen zu Irritationen geführt hat. Aus ihrer Sicht ist entscheidend, dass Verbraucher nicht benachteiligt wurden. Die Produkte waren durchweg zu vorteilhaften Preisen im Handel verfügbar.
Wie komplex das Thema ist, zeigt sich auch daran, dass es zwischen Ermittlungsbeginn und Verfahrensbeendigung zu einer Überarbeitung der entsprechenden EU-Leitlinien kam. Die drastische Zunahme des Onlinegeschäfts wird inzwischen berücksichtigt. Außerdem ist eine klare Trennung zwischen Preisen im Onlineverkauf und Preisen im beratungsorientierten stationären Handel ausdrücklich zulässig”.
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