Stellen Sie sich vor, eine Behörde schickt Ihnen einen Brief. Sie öffnen ihn und sehen … einen 5-Euro-Geldschein. Klingt wie ein Scherz, doch das passiert derzeit 180.000 Menschen in Deutschland. Sofern die Angeschriebenen den Brief nicht ungeöffnet wegwerfen.
Der Brief stammt vom Robert Koch-Institut (RKI), einer Bundesoberbehörde, die für die Überwachung von Infektionskrankheiten und andere Erkrankungen zuständig ist. Das RKI dürfte während der Covid-19-Pandemie vielen Menschen durch seine Berichte zur Verbreitung von Covid-19 bekannt geworden sein.
Das RKI verschickt jetzt also an 180.000 zufällig ausgewählte Bundesbürger im Alter ab 16 Jahren Briefe, in denen sich ein 5-Euro-Schein und ein Schreiben befinden. In dem Schreiben lädt das RKI die Empfänger dazu ein, an einer Umfrage zur Studie „Gesundheit in Deutschland“ teilzunehmen. Über einen QR-Code, der sich auf dem Schreiben befindet, landen die Angeschriebenen auf dem Online-Formular zur Umfrage. Zweck der Studie: in Zukunft regelmäßig Daten zum Gesundheitszustand der deutschen Bevölkerung zu erheben.
Doch warum liegt ein Geldschein in dem Brief? Das RKI will damit die Angeschriebenen zur Teilnahme an der Studie ermutigen. Den Geldschein kann man aber in jedem Fall behalten, auch wenn man nicht an der Studie teilnimmt. Eine zumindest zweifelhafte Vorgehensweise der Behörde, die prompt Kritik hervorruft. Bei 180.000 Angeschriebenen sind es immerhin 900.000 Euro, die das RKI mal eben verschenkt. Diese 900.000 Euro bezahlt der Steuerzahler. Die Bundesbehörde verschenkt also 900.000 Euro an Steuergeldern.
Obendrein sorgt der unerwartete Geldregen in Verbindung mit einem QR-Code für Verunsicherung, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) schreibt. Denn aufmerksame Menschen vermuten dahinter eine Phishing-Attacke: Der QR-Code könnte zu einer von Hackern gefälschten Webseite führen, auf der die Angeschriebenen abgezockt werden sollen. Oder man lädt sich über den Link hinter dem QR-Code Schadsoftware auf das Handy herunter. Solche Sorgen sind angesichts der vielen Betrugsversuche im Web und mit SMS und Whatsapp-Nachrichten durchaus berechtigt.
Das RKI behauptet laut RND, dass in einem Vorabtest die Teilnehmerquote durch Incentives um 13 Prozentpunkte erhöht werden konnte. Jetzt hofft das RKI, dass unter anderem mithilfe des 5-Euro-Geldscheins 35 Prozent aller Angeschriebenen die Online-Umfrage ausfüllen werden. Sofern diese Prognose zutritt, würde das aber im Umkehrschluss bedeuten, dass 65 Prozent der Angeschrieben die 5 Euro ohne Gegenleistung behalten. Somit hätte das RKI 585.000 Euro ohne Gegenleistung verschenkt. Das ist jedenfalls die Kritik des Bundes der Steuerzahler, wie das RND schreibt. Der Bund der Steuerzahler fordert, dass die Umfrage gestoppt werden sollte, bis das RKI eine detaillierte Erklärung vorgelegt habe.
Mit den 5 Euro ist es übrigens nicht getan. Wer an der Studie tatsächlich teilnimmt, bekommt noch einmal 10 Euro auf dem Postweg zugeschickt. Immerhin: in diesem Fall gibt es das Geld erst nach erbrachter Leistung.
Geht ein Brief mit Geld darin verloren, ist auch das Geld weg. Die Post muss es nicht erstatten.
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