Karima Delli (Fraktion Die Grünen/EFA) ist die Chefin des EU-Verkehrsausschusses. Die 44 Jahre alte französische Grünen-Politikerin hat jetzt Vorschläge für eine EU-weit geltende Führerscheinreform gemacht, die auf den Vorschlägen vom März 2023 basieren, aber über diese noch deutlich hinausgehen. Diese Vorschläge gehen vor allem weit über die derzeit in Deutschland geltenden Regeln für Auto-Führerscheine hinaus. Ein Überblick.
Fahranfänger
Für Fahranfänger soll ein Tempolimit von 90 km/h gelten. Zudem sollen Führerscheinneulinge nicht mehr nachts fahren dürfen, genauer gesagt: Zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens soll für diese Gruppe ein Fahrverbot gelten. Zudem sollen Fahranfänger nach Ablauf der Probezeit eine zweite Prüfung machen müssen.
Problem: Die Überwachung eines solchen Tempolimits ist im Alltag kaum möglich und allenfalls durch Polizeikontrollen durchführbar. Außerdem ist auf dem Land das Auto als Fortbewegungsmittel unersetzlich. Wer jungen Menschen das Fahren bei Nacht verbietet, sperrt sie damit faktisch zu Hause ein. Zudem entstehen den jungen Verkehrsteilnehmern erhebliche Mehrkosten durch die zweite Prüfung.
Neue Gewichtsklassen für PKWs
Den Führerschein soll es für zwei unterschiedliche Gewichtsklassen von PKWs geben. Der bisherige Führerschein der Klasse B (alte Klasse 3) soll nur noch für Autos bis zu einem Leergewicht von 1.800 Kilogramm gelten. Wer ein schwereres Auto fahren will, muss eine zusätzliche Prüfung machen. Diese neue Führerscheinklasse soll B+ heißen und man muss dafür mindestens 21 Jahre alt sein. Zuvor muss eine zweijährige Probezeit mit der Führerscheinklasse B bestanden werden.
Problem: Fahranfänger können dann unter Umständen nicht mit dem vermutlich schwereren Familienauto fahren; davon wären nicht nur SUVs, sondern auch Kleinbusse wie der weitverbreitete VW Bus betroffen. Obendrein sind Elektroautos per se schwerer, viele Fahranfänger dürften also nicht mit einem E-Auto fahren, viele E-Autos liegen locker über der 1800-kg-Grenze.
Delli schlägt zudem ein europaweites Tempolimit von 130 km/h für Fahrzeuge über 1800 kg vor.
Ältere Führerscheinbesitzer
Ab Erreichen eines Lebensalters von 60 Jahren soll der Führerschein nur noch für sieben Jahre gelten. Danach soll man ihn erneut machen müssen. Ab dem 70. Lebensjahr soll die Fahrtauglichkeit alle fünf Jahre überprüft werden und ab dem 80. Lebensjahr soll man sogar alle zwei Jahre seine Fahrtüchtigkeit nachweisen müssen.
Problem: Diese Vorschläge lesen sich wie pure Altersdiskriminierung und lassen völlig außer Acht, dass von jungen Fahranfängern das größte Unfallrisiko ausgeht. Zudem entstehen den älteren Verkehrsteilnehmern dadurch erhebliche Mehrkosten.
Führerscheine sollen generell nur noch 10 Jahre gelten. Danach sei ein Auffrischungskurs erforderlich.
Die Fahrausbildung soll stärker die Belange von Radfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern berücksichtigen.
Die von Delli vorgelegten Vorschläge stießen sofort auf vehementen Widerspruch. Der ADAC sowie Politiker von CDU, SPD und die FDP lehnen die Vorschläge ab. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zitiert die Frankfurter Rundschau folgendermaßen: „Von der Idee, dass sich Senioren ab einem bestimmten Alter ohne weiteren Anlass regelmäßig einem Tauglichkeitstest unterziehen müssen, halte ich gar nichts“. Sogar deutsche Grünen-Politiker distanzieren sich von den Vorschlägen ihrer Parteigenossin, die SZ zitiert Anna Deparnay-Grunenberg so: “Wir als deutsche Grüne haben von Anfang an aus deutscher Sicht starke Bedenken angemeldet”.
Der Sozialverband VdK hatte bereits im April, als die besonderen Regeln für ältere Verkehrsteilnehmer erstmals an die Öffentlichkeit kamen, empört reagiert.
Der ADAC betont: “Viele Vorschläge, die derzeit öffentlich werden, resultieren aus Stellungnahmen und Rückmeldungen zum Entwurf der EU-Kommission zur Führerscheinrichtlinie, die seit März 2023 vorliegt. Sie vermitteln ein Bild von der Breite der Diskussion, beschreiben aber noch nicht eine konkrete Entscheidung. Das gilt beispielsweise für die Einführung eines Stufenführerscheins in der Klasse B mit den Klassen B für leichtere und B+ für schwerere Fahrzeuge sowie für ein mögliches Nachtfahrverbot für Fahranfänger. Die finale Neufassung ist vor 2024 nicht zu erwarten. Grundsätzlich verfolgt die vierte EU-Führerscheinrichtlinie das Ziel, die Verkehrssicherheit in den europäischen Mitgliedstaaten weiter zu verbessern.”
Das Gesetzgebungsverfahren steht aber noch ganz am Anfang. Zudem haben die EU-Staaten ein Mitspracherecht. Beobachter erwarten, dass die Vorschläge der Grünen-Politikerin so nicht angenommen werden.
Cars