Balkonkraftwerke liegen mittlerweile gleich palettenweise im Baumarkt, und selbst die Lebensmitteldiscounter Aldi und Lidl führten sie schon als Sonderposten zum Mitnehmen.
Offiziell waren bis zuletzt in Deutschland zwar „nur“ rund 400.000 solcher Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) registriert, Marktbeobachter schätzen ihre Zahl jedoch auf bis zu zwei Millionen Systeme. Grund für die hohe Dunkelziffer ist, dass die Anmeldung bei der Bundesnetzagentur bislang kompliziert war – nämlich ähnlich wie für Betreiber kommerzieller Solar- und Windparks. Viele dürften den Aufwand gescheut und ihre Anlage deshalb ohne Registrierung in Betrieb genommen haben.
PIANETA Balkonkraftwerk 880W für rund 380 Euro
Bevor es weiter in die Details geht, kurz zum Begriff: „Balkonkraftwerk“ bedeutet nicht, dass sich solche PV-Anlagen nur am Balkon anbringen lassen, sondern auch auf dem Garagen- oder Carport-Dach oder an der Hauswand. Daneben existieren die Ausdrücke Steckersolargeräte und Mini-Solaranlagen als Abgrenzung zu größeren Systemen fürs Dach.
„Recht auf Solaranlage“, mehr Leistung und einfache Anmeldung
Viele Onlinehändler bieten komplette Balkonkraftwerke zum Teil schon für weniger als 400 Euro an. Hinzu kommen die Speditionskosten in Höhe von meist 30 bis 50 Euro.
IDG
In Kürze wird die Anmeldung bei der Bundesnetzagentur nun einfacher, zudem entfällt die zusätzliche Registrierungspflicht beim örtlichen Netzbetreiber („Stadtwerke“, nicht der individuelle Stromlieferant).
Ferner dürfen Balkonkraftwerke statt bisher maximal 600 Watt dann 800 Watt leisten.
Sie fragen sich nun vielleicht, weshalb PV-Sets häufig mit ganz anderen Werten wie beispielsweise 760, 910 Watt oder sonst etwas beworben werden? Das 600- beziehungsweise 800-Watt-Limit stellt die Maximalleistung (Wp für Watt Peak) des Wechselrichters dar. Also das, was nach dem Umwandeln des Gleichstroms aus den Solarmodulen tatsächlich ins Stromnetz fließt. Und hier ist bald ein Drittel mehr erlaubt als zuvor. Die „krummen“ Leistungswerte dagegen beziehen sich auf die Maximalleistung der PV-Panels selbst. Liefern sie in der Mittagssonne mehr als gesetzlich erlaubt, regelt der Wechselrichter die Leistung herunter.
DUR-line Balkonkraftwerk 860Wp ab 419 Euro
Welchen Nutzen haben Anlagen mit mehr als 800 Watt dann überhaupt? Die höhere (mögliche) Leistung resultiert vor allem daher, dass die Solarmodule – in aller Regel sind es zwei – größer sind als weniger starke Modelle. Zwar liefen auch stärkere Anlagen bei voller Sonneneinstrahlung höchstens 800 Watt, ansonsten aber liegt die erzeugte Energie proportional höher: Bringt ein 900-Watt-Set bei „halber Sonnenkraft“ 450 Watt, sind es bei 700 Watt Maximalleistung dann nur 350 Watt.
Stärkere Anlagen erzeugen übers Jahr also mehr Energie, sie benötigen aber eben auch mehr Platz. Denn trotz der Bezeichnung „Mini“ sind die Solarmodule mit einer Standardgröße von über einem mal knapp zwei Metern alles andere als klein.
Diese beiden Photovoltaikanlagen sind auf den ersten Blick identisch. Doch nur beim Set unten lässt sich der Wechselrichter auf die seit Jahresbeginn zulässigen 800 Watt freischalten.
IDG
Darüber hinaus verbessern sich zwei rechtliche Aspekte: Wohnungseigentümer und Mieter werden bald einen Rechtsanspruch auf den Betrieb einer Steckersolaranlage haben. Voraussichtlich ab Frühjahr sind diese genauso privilegiert wie Wallboxen für Elektroautos. Vermieter, Eigentümergemeinschaften und Hausverwaltungen dürfen zwar bei der Art und der Montage der Solarmodule mitbestimmen, nicht mehr aber über das ob entscheiden (siehe FAQs).
Klarheit herrscht auch bei der Frage, ob Balkonkraftwerke auch ohne Spezialstecker an die nächste Steckdose angeschlossen werden dürfen. Ja, das dürfen sie. Dies ist zwar nicht Bestandteil des neuen „Solarpakt I“-Gesetzes, es wird jedoch erwartet, dass die zuständigen Normungsgremien den normalen Schukostecker in Kürze positiv bescheiden.
Solakon 880W Balkonkraftwerk ab 459 Euro
Apropos Gesetz: Nachdem das Bundeskabinett die Neuregelungen bereits im Sommer beschlossen hatte, galt die Zustimmung im Parlament als Formsache. Doch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die ursprünglichen Corona-Gelder nicht für den Klimaschutz verwendet werden dürfen, zogen sich die Haushaltsberatungen für 2024 bis Mitte Dezember hin. Damit verschob sich die Verabschiedung des Solarpakets auf dieses Jahr. Formal ist das Gesetz also nicht in Kraft, inhaltlich soll sich jedoch nichts ändern.
5-Euro-DIY-Projekt: Solarstrom-Erzeugung messen
Balkonkraftwerke wegen Mehrwertsteuerbefreiung günstig wie nie
Weil PV-Anlagen nach den Lieferengpässen während der Corona-Pandemie wieder ohne Einschränkungen lieferbar und derzeit von der Mehrwertsteuer befreit sind, sind die Preise deutlich gesunken. Anschlussfertige Komplettsets, bestehend aus zwei Solarpanels, Wechselrichter und Anschlusskabel, gibt es bereits unter 400 Euro. Anlagen mit drei PV-Modulen kosten teilweise nur 100 Euro mehr.
Angesichts des riesigen Angebots stellt sich die Frage, worauf denn beim Kauf zu achten ist. Für die meisten Käufer ist es – zugespitzt formuliert – fast egal, welches Set sie kaufen. Alle Anlagen erzeugen Energie und unterscheiden sich beim Wirkungsgrad nur minimal.
Schon ein Regelschirm ist bei Sturm nur schwer zu halten. Die Solarmodule bieten viel mehr Windangriffsfläche und müssen deshalb absolut sicher befestigt werden – im Bild mit 8-Millimeter-Schrauben.
IDG
Jenseits der Zuspitzung aber sind dann drei Aspekte wichtig.
Nicht zu unterschätzen ist der Platzbedarf, und mehr Solarleistung bedeutet auch größere Module. Zwei nebeneinander montierte 2,20-Meter Panels erfordern gegenüber 1,70-Meter-Modellen insgesamt einen Meter mehr Balkonbreite.
Zum zweiten sind derzeit weiterhin Sets mit 600-Watt-Wechselrichtern im Handel. Sofern sie sich nicht per Firmware-Update auf 800 Watt freischalten lassen, sollten Sie Abstand davon nehmen. Schließlich soll die Anlage über ihre Lebensdauer von zehn oder 20 Jahren nicht weniger Energie liefern als möglich.
Besondere Aufmerksamkeit erfordert drittens die Montage. Weil es keine für alle Balkongeländer passende Befestigung gibt, empfiehlt es sich, Balkonkraftwerk und das Montageset für zusätzlich gut 100 Euro separat zu kaufen. Elektrisch sind die steckerfertigen PV-Sets tatsächlich in weniger als fünf Minuten betriebsbereit: Module und Wechselrichter verkabeln und dann rein in die Außensteckdose (am Balkon), schon steht der Solarstrom im gesamten Haushalt zur Verfügung. Meist deutlich mehr Zeit erfordert die sturmsichere Montage am Balkongeländer. Wer sich das zutraut, darf Anschluss und Montage auch selbst erledigen.
Ein Jahr Balkonkraftwerk
Zwei Dinge sind mir nach dem ersten Jahr mit dem Balkonkraftwerk besonders wichtig: Erstens die Erkenntnis, mit welch geringem finanziellen und technischen Einsatz sich die eigene Stromrechnung substanziell reduzieren und damit gleichzeitig zur Energiewende beitragen lässt. Privat installierte Photovoltaik bietet da ein riesiges Potenzial.
Meine Solaranlage erzeugte im vergangenen Jahr rund 650 kWh, das ist etwa ein Drittel (!) des Durchschnittsverbrauchs eines 2-Personen-Haushalts in einer Etagenwohnung. Obwohl ich einen Teil der Solarenergie nicht selbst verbrauchen konnte und somit dem Netzbetreiber „geschenkt“ habe, lag mein Stromverbrauch deutlich unter dem des Vorjahres. So wird sich die Gesamtinvestition von knapp 600 Euro zusammen mit der kommunalen Förderung (240 Euro) voraussichtlich schon nach drei Jahren amortisieren – danach erzeugt die Sonne den Strom sozusagen umsonst.
Mindestens ebenso wichtig ist der zweite Aspekt, nämlich die Freude: Am Smartphone, Tablet und PC sehe ich nicht nur, wie viel Energie die Anlage produziert (hat). Das Smart-Home-System Home Assistant auf dem Raspberry Pi zeigt ganz viele weitere Details: Darunter minutiös jede noch so kleine Wolke, die nicht einmal der Deutsche Wetterdienst kennt. Pure Freude eben.
Solarenergie im Blick: Wann leistet das Balkonkraftwerk wieviel?
Wer seine Solarenergie einfach nur ins Stromnetz einspeisen und sich um nichts weiter kümmern möchte, kann das tun. Da jedoch überschüssige Solarenergie, die über den unmittelbaren Eigenverbrauch hinaus geht, ohne Vergütung ins allgemeine Stromnetz abfließt, sollte man möglichst viel des Solarstroms selbst nutzen. Dazu muss man aber wissen, was die Anlage jeweils aktuell leistet: 50 Watt am Morgen reduzieren den Energieverbrauch von Wasch- oder Spülmaschine kaum, volle 800 Watt am Mittag dagegen erheblich.
Die aktuelle Solarleistung lässt sich mit einem WLAN-Zwischenstecker plus zugehöriger App erfassen. Solche Messsteckdosen mit Schutzklappe für draußen gibt es schon ab 20 Euro. Immer mehr Wechselrichter können auch direkt per WLAN oder Bluetooth und App ausgelesen werden. Welche Daten das genau sind, geht aus den Beschreibungen häufig jedoch nicht hervor.
Mehr Klarheit schafft hier die Onlinerecherche mit genauer Bezeichnung des Wechselrichtermodells.
Tipp: Für die verbreiteten Wechselrichter von Hoymiles bietet der Hersteller zum Datenauslesen per WLAN ein kostenpflichtiges DTU-Modul.
Verbindet man das Balkonkraftwerk über einen solchen WLAN-Zwischenstecker mit dem Stromnetz, erfasst die zugehörige Smartphone-App die von der Sonne erzeugte Energie.
IDG
Siehe auch: Zendure Solar Flow im Test – Solarstrom im Akku speichern
Ausrichtung, Montage, Amortisierung und was noch wichtig ist
Nicht alle Stellen eignen sich gleichermaßen für die Montage eines Balkonkraftwerks. Optimal ist die Ausrichtung nach Süden mit leicht angewinkelter Montage und möglichst freier Sicht. Die freie Sicht ist wichtig, weil schon eine Teilverschattung der Modulfläche die Energieausbeute erheblich reduziert.
Für die Praxis bedeutet das: Drohen die üppigen Balkonpflanzen des Nachbarn oder eine vorstehende Hauswand die Module zeitweise zu verschatten, erzeugen kleinere Panels ohne Einschränkung unter Umständen genauso viel.
Internet-Ertragsrechner wie der von Priwatt oder HTW Berlin simulieren die Energieausbeute individuell abhängig von Ausrichtung, Anstellwinkel und mehr. So reduziert die Senkrechtmontage die Effizienz um etwa 25 Prozent, die Ausrichtung nach Norden statt Süden sogar um 50 Prozent.
Flexible Aluhalterungen erlauben, die Solarpanels für maximale Energieausbeute anzuwinkeln. Die Profile samt Schrauben zum Befestigen von zwei Modulen kosten rund 100 Euro.
IDG
Eine optimale Ausrichtung vorausgesetzt, sinken die jährlichen Stromkosten mit einem 800-Watt-Balkonkraftwerk und durchschnittlicher Selbstnutzung der erzeugten Energie realistisch um rund 150 Euro pro Jahr. Angaben mancher Anbieter mit 400 Euro Ersparnis sind illusorisch. 150 Euro jährliche Kostenersparnis bedeuten bei einem Anschaffungspreis von 500 bis 600 Euro für das PV-Set inklusive Befestigungsmaterial, dass sich die Anlage nach vier Jahren amortisiert.
Noch schneller geht es, wann man eine Förderung in Anspruch nehmen kann. Viele Kommunen und einige Bundesländer bezuschussen Balkonkraftwerke bis zu 300 Euro. Angesichts der zu erwartenden Lebensdauer von bis zu 20 Jahren – auf die Solarmodule gibt es oft 20 oder 25 Jahre Garantie, auf den Wechselrichter immerhin zwölf oder 15 Jahre – also eine lohnende Investition.
Batterien, um die tagsüber gespeicherte Solarenergie am Abend zu nutzen, lohnen sich wegen der hohen Preise dagegen derzeit meist nicht. Für eine effiziente Verteilung von erzeugter und gespeicherter Energie benötigt man darüber hinaus einen intelligenten Stromzähler. Bis alle Haushalte mit einem solchen Smart Meter ausgestattet sind, dauert es noch Jahre.
Eine gute Nachricht zum Schluss: Wer sein Balkonkraftwerk angemeldet hat, darf es sofort in Betrieb nehmen und muss nicht auf den Einbau eines digitalen Zählers warten. Der Zählerwechsel ist Sache Netzbetreibers, und bis der aktiv wird, dreht der alte Ferraris-Zähler beim Einspeisen des Solarstroms rückwärts. Jede erzeugte Kilowattstunde ist damit exakt so viel wert, wie man für eine verbrauchte selbst bezahlt.
Vorsicht bei unsicheren Wechselrichtern
Weil der chinesische Hersteller Deye auch Wechselrichter ohne das vorgeschriebene Schutzrelais nach Deutschland geliefert hatte, musste er die Abschaltfunktion per Zusatzgerät (links) nachliefern.
IDG
Wechselrichter, die den von Balkonkraftwerken erzeugten Solarstrom für das 230-Volt-Stromnetz umwandeln, müssen in Deutschland mit einem doppelten Abschaltschutz ausgestattet sein: per Software und über einen elektromagnetischen Schalter.
Im vergangenen Sommer stellte sich heraus, dass dieses Relais bei einigen Wechselrichtern von Deye fehlte. Sie entsprachen damit nicht den VDE-Vorschriften. Mittlerweile liefert der Hersteller ein zertifiziertes Zusatzrelais zum kostenlosen Nachrüsten.
Die Bundesnetzagentur informiert, worauf beim Kauf von Wechselrichtern im Internet zu achten ist.
Smart Home